Paracelsus und ich

Der Arzt und hermetische Alchemist der Renaissance erblickte genau 450 Jahre vor mir das Licht dieser Welt. Ohne dies damals zu wissen, fühlte ich mich ihm schon in meiner Adoleszenz sehr verbunden. Doch erst in den letzten Jahren begann ich seine Heilweise wirklich zu verstehen und realisierte, dass die von mir entwickelte Symptom-Symbol-Transformation (SST) sehr viel mit der Paracelsischen Medizin gemeinsam hat.

Die Grundidee von Paracelsus‘ Medizin ist die Spermien- oder Samentheorie der Materie und des menschlichen Körpers. Diese Idee wird auch Hylozoismus genannt. Der Begriff wird hergeleitet aus hyle = Stoff, Materie und zoe = Leben. Alle Materie ist darin potentiell belebt, und für Paracelsus war dieses Potential in den semina, in „Spermien“ oder „Samen“ der Materie gespeichert. Daher meinte schon Immanuel Kant: „Der Hylozoismus belebt alles, der Materialismus dagegen … tötet alles.“

Diese semina, die eigentlichen Keimzellen jedes Objektes der Natur, sind gemäss Paracelsus physisch unsichtbar. Sie kommen aus der Welt des Astralkörpers (Hauchkörpers; subtle body). Damit setzte er sich in einen Widerspruch zur antiken Auffassung, die alle Dinge dieser Welt als aus „Feuer“, „Wasser“, „Luft“ und „Erde“ zusammengesetzt erklärte.  Die semina der hauchkörperlichen Welt geben den Dingen der sichtbaren Welt ihre spezifische Form, und die Form zeigt die Essenz des spezifischen Objekts an.

Diese Idee der auch für die Form eines Objektes verantwortlichen semina, dem potentiell Belebenden und Heilenden, steht hinter der von Paracelsus praktizierten Signaturmedizin. Gemäss der alten hermetisch-alchemistischen Weisheit „Wie oben so unten, wie innen so aussen“ wird beispielsweise angenommen, dass das Ahornblatt aufgrund seiner Ähnlichkeit mit der menschlichen Hand Heilkraft für deren Krankheiten besitzt. Das Auflegen dieser Blätter auf die Hand soll daher die Krankheit heilen.

Gemäss Paracelsus sind die semina nicht nur für die Gestalt der Dinge verantwortlich, sondern sie sind auch die Verursacher von Krankheiten. Krankheit kommt also gemäss Paracelsus aus der Welt des Hauchkörpers. Da die Krankheit durch ein destruktives „Sperma“ verursacht wird, soll das dazu parallele konstruktive „Sperma“ zur Heilung verwendet werden. Das konstruktive „Sperma“ des Ahornblattes ist das Alexipharmakum, das „Gegengift“ gegen das krankmachende „Sperma“. Ersteres vernichtet letzteres, und höhere Ordnung wird aufgebaut. Diese äussert sich in Gesundung und Heilung.

Schöpfer der physisch unsichtbaren semina ist der von Paracelsus so genannte Archaeus, der „Alchemist des Magens“. In meiner Theorie entspricht der Archaeus dem Solarplexus (sowie den weiteren, tiefer im Bauch gelegenen vegetativen Nervenknoten). Es ist das von Michael Gershon entdeckte Bauchhirn (englisch: gut brain oder belly brain; vgl. auch „Begriffe„). Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass der Archaeus, das Bauchhirn, zum Symptom einer Krankheit parallele Symbole, d.h., innere Bilder und/oder vegetative Körperempfindungen (sensations) wahrnehmen kann (weitere Beispiele im Menu Beratungsangebot). Sowohl die inneren Bilder als auch die vegetativen Empfindungen gehören der Hauchkörperwelt an, dem Astralkörper des Paracelsus. Es wird so möglich, das Symptom einer Krankheit in ein Symbol der Hauchkörperwelt zu transformieren. Um diese Technik der Symptom-Symbol-Transformation (SST) anwenden zu können, muss die Patientin allerdings aus dem Kopfhirn aussteigen und in das Bauchhirn abblenden lernen, da nur dieses diese andere Welt wahrnehmen kann. Es zeigt sich dann, dass diese spontan erzeugten Objekte der semina als Alexipharmakum, als „Gegengift“ zum Krankheitssymptom, aufbauend und heilend wirken.

Eine weitere, zentrale Idee des genialen Renaissance-Arztes und hermetischen Alchemisten besteht in der so genannten vita longa. Das „Lange Leben“ ist ein symbolischer Ausdruck für die Wirkung des Alexipharmakums, des „Gegengiftes“, das auch die medicina catholica, die allesheilende Medizin genannt wird: Einerseits bedeutet die vita longa die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit durch das Alexipharmakum, wirkt also auf unsere diesseitige Existenz ein. Andererseits und gleichzeitig bedeutet die vita longa den Aufbau des Hauchkörpers (subtle body, Astralkörpers), der das notwendige Vehikel für das Leben nach dem Tod darstellt. So wird die vita longa auch an die (religionsunabhängige) Mystik und Spiritualität angeschlossen.

Der Unterschied meiner Auffassung zu jener des Paracelsus besteht darin, dass ich die von den semina erzeugten Objekte nicht konkretisiere (wie Paracelsus beispielsweise das obige Ahornblatt), sondern sie als spontan erzeugte Symbole, als innere Bilder und/oder vegetative Körperempfindungen (sensations) als Resultat der SST auffasse. Da diese Symbole spontan erzeugt werden, sind sie akausal, d.h. ursachelos. Eben diesen Unterschied zwischen kausalen und akausalen Prozessen – heute würden wir sagen, zwischen Prozessen, die dem Energieerhaltungssatz gehorchen und solchen, die ihn verletzen – konnte Paracelsus, konnten aber auch die Alchemisten noch nicht sehen.

Ein ursacheloses (akausales) Ereignis ist immer ein Schöpfungakt. Da darin aus dem „Nichts“ etwas Positives in unserer Welt entsteht, ergibt sich eine heilende Wirkung der spontan entstehenden inneren Bilder und vegetativen Körperempfindungen. [Zu letzteren siehe das Beispiel von Christian Buddenbrook in Thomas Manns gleichnamigem Roman (am Schluss des Beitrags Bauchhirn).]

Übrigens: Paracelsus‘ Motto war Alterius non sit, qui suus esse potest (der auch in der Umrandung des obigen Paracelsusportraits erscheint): Es gehöre keinem Anderen, der sich selbst gehören kann. Das ist auch der Leitspruch für mein Leben geworden.

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