Beispiel Imagination über Herzrhythmusstörungen (Extrasystolen)

1. Einleitung:

Das folgende Beispiel einer Symptom-Symbol-Transformation (SST) über Extrasystolen einer Patientin soll zeigen, wie derartige psychosomatische Phänomene mit Hilfe dieser Imaginationsmethode angegangen werden können. Zugleich soll gezeigt werden, wie solche Imaginationen in eine moderne Art der (religionsunabhängigen) Mystik oder Spiritualität hineinführen können.

Ihr Arzt hatte die Diagnose vegetative Dystonie gestellt und ihr als Abhilfe Betablocker verschrieben. Doch diese rein medikamentöse Behandlung befriedigte sie nicht. Daher wandte sie sich mit einer email an mich.

Um die Ursprünglichkeit und Lebendigkeit des Geschehens zu erhalten, will ich die Form des Austausches von emails beibehalten. Der Text ist anonymisiert, daher gibt es auch gewisse mit … gekennzeichnete Auslassungen.

2. Die erste Imagination:

Die betreffende Frau hatte in meinen Ausführungen in Neo-Tantrismus und Körperzentrierte Imagination gelesen, dass ich manchmal empfehle, das Herz mit seinen arrhythmischen Extrasystolen in den Bauch hinunter zu holen und es dort zu beobachten. Diese Methode probierte sie aus und schrieb anschliessend:

Ich las mit größtem Interesse einige Ihrer Ausführungen, die mich sehr ansprechen. Ich (weiblich, 62 Jahre alt) habe seit einigen Jahren Extrasystolen und schlucke Betablocker, die ich unbedingt wieder absetzen möchte. Schon allein das Wort „Blocker“ gefällt mir nicht, da ich nichts blockieren möchte! …

Ich holte mein Herz mit den Extrasystolen in meinen Bauch herunter und bekam folgende Bilder: Ich sah zuerst ein Huhn. Dieses Huhn legte ein Ei und brütete darauf. Als das Ei aufging kam ein feuerroter Phoenix heraus und stieg in die Lüfte.

Ich musste spontan an den Ausdruck „chicken“ denken, unter dem die Amerikaner einen Feigling verstehen. Ich habe mit der Polarität Krankheit/Gesundheit noch so meine Schwierigkeiten, da ich zu einseitig in Richtung Gesundheit neige und Angst vor Krankheiten habe. Geht es bei dieser Vision vielleicht darum, dass ich meine Angst akzeptieren, sie „ausbrüten“ und in höhere Ebenen transformieren soll. Falls ja, wie könnte das vor sich gehen? Oder was könnte es aus tiefenpsychologischer Sicht bedeuten?

Ich wäre Ihnen für eine Unterstützung sehr verbunden, weil die Extrasystolen (und die Betablocker!) mich sehr belasten. Ich habe schon so manches probiert, aber bis jetzt hat noch nichts geholfen. Die Diagnose meines Hausarztes lautet: vegetative Dystonie!

Ich schrieb ihr zurück:

Ihre Imagination zeigt, dass in Ihnen ein Transformationsprozess konstelliert ist, der mit dem Aufbau des Hauchkörpers (= Phönix) zu tun hat. Das tönt vielleicht „spanisch“, ist es vielleicht auch. Das macht aber nichts, da es in dieser Phase nicht um das Verstehen, sondern um das Erleben geht.

Versuchen Sie weiter, Ihr Herz in den Bauch hinunterzunehmen und einfach zu schauen, wie sich all das weiter entwickelt. Möglichst nicht intervenieren, einfach geschehen lassen.

Notieren Sie sich alles, was geschieht, vor allem auch Ihre gefühlsmässigen Reaktionen darauf.

Eine erste Bemerkung:

Die betreffende Frau beginnt sofort nach der Imagination über das Symptom nachzudenken und möchte es aus tiefenpsychologischer Sicht gedeutet haben. Damit verfällt sie vorerst dem Vorurteil sowohl der Medizin als auch der Psychotherapie, dass wir mit Hilfe des Denkens und des Reflektierens jedes Problem lösen können.

Auch die medizinische Psychosomatik ist mit demselben Makel behaftet. Sie glaubt, mit Hilfe statistischer Korrelationen zwischen psychosomatischem Symptom und psychischem Problem den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie reduziert derart das Individuum mit seinem ganz spezifischen Symptom auf ein statistisches Massenpartikel und verhindert deshalb das individuelle und gefühlsmässige Erleben des Symptoms.

Wie sich unten zeigen wird, besteht die Grundtendenz der von mir vorgeschlagenen Symptom-Symbol-Transformation (oder Körperzentrierten Visualisierung) darin, diese statistische Betrachtungsweise zu durchbrechen und das Symptom zur „Behandlung“ (manchmal sogar im wörtlichen Sinn der Be-Handlung; s. dazu unten!) der Klientin zurückzugeben. Sie selbst ist ihr eigener Arzt, sie allein kann mit Hilfe der Imagination den Hintergrund ihres Symptoms ergründen. Meine Rolle beschränkt sich darauf, ihr mit Hilfe meiner umfassenden Symbolkenntnisse beizustehen, indem ich als Vermittler auftrete, der die bildhaft geschaute Symbolik in konkrete Hinweise übersetzt.

In diesem Sinne betrachte ich die von mir hier vorgestellte Methode als alternative Psychosomatik: Sie durchbricht das heute übliche Arzt-Patienten-Muster, das bewirkt, dass das eigene Erleben und damit die individuelle Beschäftigung des Patienten mit der eigenen Krankheit oder mit dem Symptom durch eben diese statistische – sogenannt wissenschaftliche – Art der Betrachtung verhindert wird. Statt dessen wird die Klientin wieder auf eine individuelle Heilsweise, auf die innere Transformation des Symptoms in ein individuelles Symbol (meist ein inneres Bild) zurück geführt. Die SST stellt daher eine moderne Form der Meditationstechnik des revolutionären Schweizer Arztes Paracelsus (1493 – 1541) dar, die die mittelalterlichen Alchemisten die imaginatio vera genannt haben (s. dazu unten).

3. Die zweite Imagination:

Sie befolgte meine Ratschläge und bald einmal ging die Visualisierung spontan weiter. In der nächsten e-mail beschrieb sie diese Fortsetzung wie folgt:

 Ich habe Ihren Rat befolgt und den Eindruck erhalten, dass wirklich ein Transformationsvorgang abläuft. Ich war mir dessen zwar schon seit längerem bewusst, hatte aber die Extrasystolen nicht damit in Verbindung gebracht.

Hier mein zweite Vision nach dem Herabholen des Herzens in den Bauch:

Ich „sah“ Hände mit Steinen auf mein Herz einhämmern, bis das Herz zersprang. Ein goldenes Ei wurde sichtbar. Die Hände mit den Steinen hämmerten – entgegen meiner Erwartung – weiter und auch das goldene Ei zersprang.

Hier tauchte kurz der Gedanke an einen Diamanten auf, aber ich „sah“ einen vollkommen reinen Kristall.

[Die obige und alle folgenden Hervorhebungen sind von mir; RFR]

Ich konnte sehr gut den Unterschied erleben zwischen den spontan aufsteigenden Bildern und den Gedanken, die sich immer wieder dazwischen schoben. Die Gedanken schienen den Vorgang kontrollieren und steuern zu wollen, während die Bilder mühelos aufstiegen.

Mein Verstand versuchte mir einzureden, ich habe mir das alles bloß eingebildet, obwohl ich „weiß“, dass das nicht der Fall ist. Mir kommen diese inneren Bilder gar nicht „spanisch“ vor …

Da ich jahrelange Prozessarbeit mit den Gefühlen hinter mir habe, scheine ich mich im Moment auf einer etwas neutraleren (?) Gefühlsebene aufzuhalten. Die emotionellen Wogen haben sich geglättet, aber ich weiß aus Erfahrung, dass auch das sich wieder verändern wird – in welche „Richtung“ auch immer. Jedenfalls blieb es während meiner Visionen ruhig, was meine Gefühle anbelangt, obwohl ich mich innerlich aufmerksam „abtastete“. Nur eine leichte ausstrahlende „Hitze“ bemerkte ich im Brustraum, jedenfalls empfand ich es als Hitze.

 Meine nächste e-mail:

Ich werde nun die zweite Visualisierung kommentieren: Das Ei bedeutet einen noch relativ tief unbewussten Prozess. Das scheint sehr plausibel, wenn man ein Ei in der Natur beobachtet. Es braucht seine Zeit, bis es ausgebrütet ist.

Ihr Ei ist golden, das heisst, es ist das so genannte „philosophische Gold“ der Alchemisten. Dieses entspricht dem Ziel des alchemistischen Opus (Werks). Sofern dieses Werk im eigenen Körper angepackt werden muss, entspricht das Ziel dem Hauchkörper, dem subtle body, dem Seelenkörper, der Körperseele. All dies sind nicht etwa irgendwelche esoterische Phantasma, sondern Ausdrucksweisen für einen nur innerlich wahrnehmbaren Aspekt des physischen Körpers, mit anderen Worten: die Innenansicht ihres Herzens mit seinen Extrasystolen.

Ihre Aufgabe besteht nun darin, diese Wahrnehmung zu schulen, um so die von mir so genannte „Innenansicht des Körpers“ beziehungsweise in Ihrem Fall die „Innenansicht des Herzens“ kennen zu lernen. Allerdings ist diese Aufgabe eigentlich nie vollendet, man ist immer auf dem Weg, denn dieser ist zugleich das Ziel.

Ihre Hände hämmerten mit Steinen auf das Herz ein, und das goldene Ei wurde sichtbar. Das ist nun das symbolische, bildhafte Gegenstück zu den Extrasystolen, die offensichtlich diese Geburt bewirken wollen. Sie sind sozusagen die Geburtswehen dieses Vorgangs.

Indem Sie diese Bilder zugelassen haben und sich nicht den destruktiven Gedanken hingegeben haben, die den Inhalt der Bilder zum „chicken“ = Feigling verdrehen wollten, hat sich das Symptom „Extrasystole“ in das zu ihm parallele Bild „mit Steinen auf das Herz einhämmern“ entwickelt. Sie haben derart das physisch wahrnehmbare (und als äusserst unangenehm empfundene) Symptom in das zugehörige psychophysische Bild gewandelt. Damit haben Sie den Prozess des „Aufbaus des Hauchkörpers“ eingeleitet, der nicht irgend einer phantastischen esoterischen Vorstellung sondern eben dieser Wahrnehmung der Körperseele, des Seelenkörpers, des subtle body entspricht.

Ihre Visualisierung geht dann autonom weiter. Diese Autonomie und Spontaneität sehe ich, weil sie mir schreiben, dass das Ganze gegen Ihre Erwartung geschah. Das ist der ganz wichtige Aspekt: Lassen Sie geschehen, schauen Sie einfach, was passiert. Sie lernen so, den Unterschied zwischen normalen Phantasien, die fast zu 100 % aus dem Bewusstsein heraus kommen, und jenen Phantasien kennen, die sich spontan und völlig autonom, vielleicht auch gegen Ihren Willen oder Ihre moralisch-ethischen Vorstellungen ereignen.

Hier greift jene Instanz ein, die ich die innere Göttin (die Welt- oder die Körperseele) nenne. Sie ist verletzt, weil Sie – natürlich ohne Schuld, da dies ein kollektives Problem unserer zu extravertierten Logoskultur ist – ihr und damit diesen inneren Bilder zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Sie rächt sich daher mit den Extrasystolen des Herzens.

Sie dringen so zum Kristall vor. Das ist nun der „realisierte Diamantkörper“, das heisst, aus dem Ei, dem erst potentiellen Leben, wurde das Eigentliche geboren. Das ist das erste Resultat Ihrer Bemühungen, und es hat direkt damit zu tun, dass Sie geschehen lassen konnten, trotzdem das Gedankenkarussell alles immer wieder abstellen wollte.

Hier dürfte es nun weiter gehen. Sofern Sie den Kristall weiter sehen, versuchen Sie ihn zu „behandeln“, d.h., mit ihren inneren Händen zu untersuchen. Welche Konstistenz besitzt er? Verändert sich diese? Macht er sonst etwas Aussergewöhnliches? Das sollten Sie feststellen.

Sofern er jedoch nicht mehr da ist, dürfen Sie nichts erzwingen wollen. Eben diesen Fehler machen viele Menschen mit diesen inneren Dingen, aber es gilt eben: „Wo ein Wille ist, da ist kein Weg!“. Der Hauchkörper löst sich manchmal in Luft auf (daher ist er ja eben ein Hauch) und kommt in einer anderen Form wieder. Daher sollten Sie lernen, einfach geduldig zu warten, und zwar im sogenannten Wu Wei. Diese taoistische Haltung entspricht einer „aktiven Passivität“, die zwar mit erhöhter Aufmerksamkeit beobachtet, aber nichts beeinflussen oder erzwingen will.

Ich finde es sehr gut, dass Sie immer wieder zu Ihren Gefühlen zurückkehren. Diese sollten den Prozess lenken, das heisst, gute Gefühle sollten Ihnen sagen, dass Sie weiter machen, schlechte, dass sie vielleicht (für den Moment) aufhören. Aber auch so genannte schlechte Gefühle können als Wegweiser dienen. Doch in Ihrem Fall scheint im Moment alles neutral zu sein.

Hier ist allerdings ein kritisches Moment. Sehr oft sind heutige Menschen tief unbewusst über ihre negativen Gefühle; sie verdrängen sie. Dann ist es möglich, dass der Prozess sich im physischen Körper festsetzt und neue Symptome oder gar eine Krankheit auftritt.

Damit zusammen hängt auch die Beobachtung vieler praktischer Ärzte – die sie manchmal fast zur Verzweiflung treibt – , dass die psychosomatischen Symptome im Körper von einer Stelle zur anderen wandern. Kaum glauben sie, eine Besserung sei eingetreten, kommt der Patient mit einem Symptom an einer anderen Stelle des Körpers in die Sprechstunde.

In dieser kritischen Situation ist daher eventuell eine therapeutische Begleitung einer Person notwendig, die in diesen Dingen erfahren ist. Da Sie mir schreiben, dass Sie „jahrelange Prozessarbeit mit den Gefühlen hinter sich haben“, vertraue ich vorerst einmal darauf, dass Sie auch die negativen Gefühle und Körperempfindungen während der Visualisierung spüren werden.

So viel für heute. Ich kann mir vorstellen, dass Sie in der Zwischenzeit Ihre Visualisierungen weiter gemacht haben. Wenn ja, senden Sie mir diese bitte zu. Und versuchen Sie den Kristall zu „behandeln“, das heisst, mit den Händen zu „beobachten“ (aber nichts erzwingen!), sofern er noch da ist.

Was machen die Extrasystolen?

4. Die dritte Imagination:

Bald einmal kam die nächste e-mail mit der folgenden Botschaft:

Hier die Fortsetzung meiner Visionen:

Ich „sah“ wie der Kristall sich in meinen Händen verflüssigte und zwischen meinen Fingern hindurchfloß.

„Da zerrinnt dir mal wieder alles zwischen den Fingern“, registrierte ich kurz einen Gedanken doch ich blieb weiter bei dem inneren Bild.

Das Wasser wurde zu einer Quelle, die sprudelte und sich in einen spiralförmigen Fluß verwandelte. In dieser Spiralform wirkte das Wasser eher wie ein Lichtfluß.

In meinen Gefühlen veränderte sich etwas. Ich fühlte eine tiefe Freude, so dass mir die Tränen kamen – ohne zu wissen warum – und fühlte mich tief im Herzen [RFR: die Extrasystolen betreffen das Herz!] berührt. Der Anblick dieser Lichtspirale war gleichzeitig vitalisierend, tief berührend und besänftigend.

Dieses Gefühl wirkt noch immer nach, wenn ich diese Lichtspirale vor mir sehe. Dieses Bild ist von großer Schönheit und treibt mir immer wieder die Tränen in die Augen. Es löst ein so starkes Gefühl in mir aus, dass mein Körper leicht zu beben beginnt. Ich lasse ihn tun, was er möchte und bleibe dabei.

Ich spüre eine große Liebe in mir zu diesem Lichtfluß und ein Vertrauen jenseits von allem, was ich kenne. Das Beben hält noch an und die Tränen fließen noch immer. Ich „weiß“, dass ich ein Teil dieses Lichtflusses bin und das löst keinen Stolz, sondern eine große Demut aus. Mein Kopf neigt sich von ganz alleine und meine Handflächen drehen sich mit den Handflächen nach oben. Es geschieht spontan.

Soweit bin ich bis jetzt gekommen. Die Lichtspirale hat einen sehr starken Nachhall bei mir hinterlassen und berührt mich noch immer zutiefst.

Als erstes schrieb ich zurück:

Bleiben Sie so lange wie möglich in diesen Gefühlen drin und bekämpfen Sie die zerstörerischen Gedanken („Da zerrinnt dir mal wieder alles zwischen den Fingern“). Diese werden ihre Extrasystolen nur verstärken und vielleicht bewirken, dass sie noch weitere psychosomatische Symptome bekommen.

 

5. Die Autonomie des inneren Prozesses:

Die oben so eindrücklich geschilderte, tiefe innere Bewegung führte dazu, dass die betreffende Frau nach einer kleinen Weile gleich noch eine e-mail mit folgendem Inhalt nachsandte:

Die Wasservision, die ich in meiner letzten E-Mail angesprochen hatte, hatte sich sozusagen verselbständigt. Es war wie ein Film, der von alleine läuft, denn ich hatte mich nicht extra darauf eingestellt. Irgendwann kamen diese Bilder von ganz alleine und ich ließ mich darauf ein. Ich fühle noch immer eine große Dankbarkeit für diese innere Schönheit, die mir geschenkt wurde.

Mit diesem inneren „Film, der von alleine läuft“ war der Höhepunkt der Visualisierung erreicht. Es zeigte sich, dass im Fall dieser Frau der Diamantkörper, der Hauchkörper, der subtle body gar kein fester „Körper“ ist, sondern etwas Flüssiges, etwas Fliessendes.

Nun kommt jedoch gleich der Logos, der den Fortschritt hindern will. Er will der Frau einreden, dass eine negative Entwicklung eingeleitet worden ist, dass das, was sie positiv als ein Fliessen erlebt, im negativen Sinn etwas Zerrinnendes sei. In diesem Moment beginnt ein pseudo-kausaler Prozess, der sehr gefährlich sein kann: In ihrem Leben hatte die visualisierende Frau traumatische Erfahrungen gemacht, die sie mit der Redewendung „Es zerrinnt mir alles in meinen Händen“ umschrieb. Der alles tötende Logos nimmt nun dieses Bild um ihr in einer pseudo-logischen Art und Weise vorzugaukeln, dass auch in ihrem „inneren Film“ dasselbe Geschehen „programmiert“ sei. Sie ist in Gefahr, dem pseudo-kausalen Teufel zu verfallen, der in diesem konkreten Fall jedoch „stets das Böse will und stets das Gute schafft“, weil sie bereits die richtige Einstellung dazu gelernt hatte (s. dazu unten).

Sie erkennt also die Gefahr, ignoriert diese destruktiven Gedanken und „lässt die Gefühle einfach ablaufen, ohne einzugreifen“, wie sie später diesen Prozess beschreiben wird. Daher wird das vermeintlich Zerrinnende zu einer Quelle, die sich schliesslich in einen Lichtfluss in der Form einer Spirale wandelt.

Diese „Lichtspirale“, die natürlich sofort an die Doppelhelix der DNA, der Erbsubstanz erinnert, scheint dem Ziel der Visualisierung zu entsprechen. Es war natürlich weder ihr noch mir vorher in irgend einer Art und Weise bekannt. Dieses Ziel entstand spontan und autonom, ohne ein Zutun des Bewusstseins. Im Gegenteil: Wenn der Logos – sie wird ihn unten das „alter ego“ nennen – eingreift, wird der Prozess abgeblockt, so wie die Betablocker zwar die Extrasystolen aber eben auch diese spontanen Prozesse im Bauch unterbrechen.

Derart dringt sie nun zur zentralen Erfahrung der Lichtspirale vor, und es ist eben diese völlig neuartige Erfahrung, die ihre „Gefühle verändert“, „tiefe Freude“ aufkommen lässt, die sie „tief im Herzen berührt“ und „vitalisierend“ wirkt. Vor Glück kommen ihr die Tränen. Dieses Detail zeigt, dass die Imagination das zweite Chakra im Bauch, das svadhisthana geöffnet hat. Dieses Chakra nennt sich nämlich eben das „wässerige“.

Hier bietet sich mir die Gelegenheit, den Unterschied einer derartigen Imaginationsmethode zu all den pseudo-tantristischen Übungen des „Chakra-Öffnens“ aufzuzeigen, wie sie neuerdings auch an Instituten propagiert werden, die den Namen C.G. Jungs tragen. In diesen fixiert sich das Logos-Bewusstsein darauf, meist unter der Anleitung eines selbsternannten Gurus, mit Hilfe einiger von aussen gegebener Übungen – beispielsweise die vermeintlichen Farben dieser vegetativen Zentren zu sehen – seine Kopf-Phantasien auszuleben. Derartige „Neo-Tantriker“ geben sich der Illusion hin, dass ihre Kopfgeburten etwas mit den spontanen und autonomen Prozessen in den Chakras, den vegetativen Plexen (Nervenknoten), zu tun hätten. Sie können nicht sehen, dass sie derart überhaupt nicht von ihrem westlichen Kopf-Bewusstsein losgelassen sondern dieses und damit ihre einseitige Sicht der Welt noch verfestigt haben. Die alten Alchemisten haben diese Verhaltensweise die imaginatio phantastica genannt, im Gegensatz zur imaginatio vera, in der das Bewusstsein in weiser Demut einfach beobachtet, welche spontanen Prozesse sich im eigenen Inneren ereignen könnten.

 

6. Die Rache des „alter ego“ (Animus):

Die Leserin oder der Leser wird sicher auch schon die Erfahrung gemacht haben, dass genau im Moment des Erreichens des tiefsten Friedens ein äusserer Störenfried auftaucht. Auch in der Körperzentrierten Visualisierung ist dies nicht anders. Wie ich erwartet hatte, kam bald einmal die erste Rache der Logos-Welt. Gemäss meiner bisherigen Erfahrung führt nämlich ein Erfolg in der Transformation des Symptoms in ein Bild (Symbol) dazu, dass sich der Bereich des Logos, des Kopfes, des Wortes, des kausalen Vorurteils „verletzt“ fühlt und rächend zurückschlägt. Diese Rache des alter ego äussert sich meist in destruktiven Gedanken, die entweder im Sinne einer Autoaggression auf die Imaginierende selbst oder dann auf andere Personen losgehen. Wenn man als Therapeut oder Therapeutin einen derartigen Prozess begleitet, muss man daher darauf gefasst sein, dass es in dieser Phase plötzlich meist völlig unerwartete „Fusstritte“ absetzt.

Ich erhielt folgende e-mail:

Ich kann wirklich nicht verstehen, wieso ich noch immer, nach allem was ich bisher schon getan habe, diese Extrasystolen nicht los werde.

Da war also der erste Racheakt. Die Stimme verlangte voller Ungeduld, dass der Prozess „subito“ zu geschehen habe…

Dann ergab es sich – wie es der „Teufel“ des öfteren so will – dass eine e-mail der Frau an mich bei meinem oder ihrem Provider gelöscht wurde [in jener Zeit war ein Virus im Web, und so wurden e-mails gelöscht, wenn sie als verseucht verdächtigt wurden]. Da ich naturgemäss darauf nicht antwortete, erhielt ich die folgende Botschaft:

Ein paar freundliche Abschiedsworte hätte ich doch noch erwartet …

Voller Verwunderung schrieb ich zurück:

Meine letzte e-mail stammt vom Montag. Die haben Sie nicht bzw. mit der jetzigen beantwortet! Was soll das?

Ich hatte überhaupt nicht die Absicht, mich zu verabschieden. Dies hätte ich Ihnen sicher mitgeteilt …

Mir scheint, dass Ihre Ungeduld Ihnen des öfteren einen Strich durch die Rechnung macht. Und ebenso Ihre destruktiven Gedanken. Mit diesen sollten Sie sich auseinandersetzen, wie ich in der letzten e-mail geschrieben habe.

Das letzte, was ich von Ihren Visualisierungen gehört habe, ist folgendes:

„Ich „sah“ wie der Kristall sich in meinen Händen verflüssigte …“ [s. oben]

7. Das „Herauslassen der wilden Pferde“:

Die Situation klärte sich, und ich bekam anschliessend folgende e-mail:

Meine Antwort [jene e-mail, die verloren gegangen war; RFR] auf Ihre Diagnose war keine weitere Vision, sondern Reflexionen über dasBekämpfen meiner negativen Gedanken. Ich hatte Ihnen darin mitgeteilt, dass ich mit dem Bekämpfen von Gedanken schlechte Erfahrungen gemacht habe, denn sie kommen, wie es ihnen passt, aber ich kann an den Ursprung der Gedanken herangehen – an das alter ego, das diese Art von Gedanken erfahrungsgemäß produziert! Ich teilte Ihnen mit, dass ich mein Ego einen Moment aus den Augen verloren hatte, obwohl ich aus Erfahrung weiß, dass es tätig wird, wenn ich mit Menschen zu tun habe, die einen Doktor vor ihrem Namen stehen haben. Ich schrieb Ihnen, dass normalerweise keine negativen Gedanken aufkommen, wenn ich Fantasiereisen mache, die ich niemandem mitteile, weil dies keine Situationen sind, die mein alter ego erwecken. Es wittert in diesem Fall offensichtlich keine Gefahr für seine eingebildete Wichtigkeit, hinter der Angst und Wertlosigkeit lauern. Ich schrieb Ihnen, dass ich schon hätte mißtrauisch werden müssen, als ich eine Sekunde lang das Detail des mir zwischen den Fingern zerrinnenden Wassers in meinem Bericht an Sie übergehen wollte.

Kommentar von RFR: Mit dieser Vergewaltigung durch das „alter ego“ beschreibt die betreffende Frau hier, ohne C.G. Jungs Psychologie zu kennen, den Prozess der Animus-Besessenheit. Im Lauf dieses Prozesses wird das weibliche Ich unbewusst identisch mit dem Animus, das heisst, mit einem archaischen Logos, beginnt in einer vor allem für Männer irritierenden Art und Weise pseudo-logisch zu argumentieren, und hat vor allem immer recht. Wie wir sehen werden, hat diese Frau im Gegensatz dazu eine Methode gefunden, diesen Animus auszutricksen. Darin liegt ihre grosse Leistung, deren Wert für die Psychohygiene wir nicht hoch genug einschätzen können.

Das alter ego fragte: Was denkt jetzt der Dr. Roth von dir? Der legt das bestimmt zu deinem Nachteil aus! Da ich mich daran gewöhnt habe, bei meiner Wahrheit zu bleiben, egal wir verlockend Ausweichmanöver auch immer sein mögen, blieb ich bei den „Tatsachen“. Ich schrieb Ihnen, dass es mir vollkommen einleuchtet, dass es mein alter ego ist, das meinem Herz von Zeit zu Zeit ein Bein stellt, so dass es ins Stolpern gerät.

Ich sehe die Extrasystolen jetzt als gelegentliche Meinungsverschiedenheiten zwischen Kopf und Herz, zwischen Ratio und Gefühl. …

Noch heute versuche ich anscheinend Männern zu beweisen, dass ich es wert bin, dass sie mich – stellvertretend für meinen Vater – lieb haben und mich nicht verlassen. Sie sehen also, dass die ganze Situation nicht so einfach ist! Ich hatte dieses wichtige Detail einen Moment aus den Augen verloren. Anscheinend wähnte ich mich zu sicher – Holzauge sei wachsam!  Ich hatte mich vorher nicht damit auseinandergesetzt und mir gesagt, dass Sie nicht mein Pappi sind, dass ich Ihnen nicht zu imponieren brauche und dass es nichts an meinem Wert ändert, ob sie mich verlassen oder nicht. Hätte ich das getan, dann wären erfahrungsgemäß die negativen Gedanken ausgeblieben, denn ich kenne diese Situationen. Ich war unaufmerksam geworden, weil ich diese Situation schon lange nicht mehr hatte. Ich glaubte scheinbar, dass sie definitiv bereinigt sei. Offensichtlich war das ein Irrtum!

Durch meine Gefühlsarbeit habe ich herausgefunden, dass oft hinter verdrängten, unterdrückten alten Gefühlen ein Denkmuster steckt, das sich mir erst offenbart, wenn ich die Gefühle einfach ablaufen lasse ohne einzugreifen. Die Denkmuster lösten sich daraufhin von selbst auf.Ich habe außerdem befolgt, was die Buddhisten das „Herauslassen der wilden Pferde“ nennen. Wenn ich bemerkte, dass negative Gedanken oder „Sorgen“ in meinem Kopf herumschwirrten, spielte ich den neutralen Beobachter. Ich hörte nur aufmerksam zu, was die Gedanken da so alles an Schwachsinn von sich gaben. Sie versickerten daraufhin ziemlich schnell. Offensichtlich mögen sie es nicht, wenn sie beobachtet werden! Ich habe also, wie sie hieraus ersehen können, schon so einiges in dieser Richtung getan. Die negativen Gedanken sind bei mir mit Sicherheit eher die Ausnahme als die Regel und ich bin es gewöhnt, mir meine Zustände ehrlich anzusehen, das können Sie mir glauben.

Ich hoffe, dass Sie meine E-Mail dieses Mal bekommen! Ich habe schon genug Schwierigkeiten mit meinen Beta-Blockern! Es müssen nicht unbedingt auch noch meine E-Mails blockiert werden.

8. Der „innere Film“ und die Frage „Wozu?“:

Diese e-mail beantwortete ich wie folgt:

Diesmal hat’s geklappt.

Ich habe im Laufe meines Lebens gelernt, dass es viel besser ist, beim Auftreten von psychosomatischen Problemen vom Hier und Jetzt aus in die Zukunft zu gehen, statt im Sinne von Sigmund Freud immer rückwärts zu analysieren. Mit anderen Worten: Die Frage Wozu ist viel besser als die Frage Warum.

Eben diese Idee steckt auch hinter der speziellen Art der Visualisierung, die ich propagiere. Während die Gedanken immer um das Warum herum kreisen – irgendwie geht es immer um kausale Zusammenhänge, um Ursache und Wirkung – entdeckte ich, dass die Bilder oder eben die Bildfolgen, spontan und von unserem Kopf (Logos; alter ego) unabhängig einen Ausweg in die Zukunft suchen. Daher achte ich bei diesen Visualisierungen immer darauf, ob etwas Spontanes, vom Willen nicht Beeinflussbares geschieht. Das ist bei Ihnen passiert. Und so haben Sie dann auch in diese intensiven und positiven Gefühle hinein gefunden.

Ich bin daher überzeugt, und Ihre letzte e-mail bestätigt mir dies, dass Sie die richtige Methode gefunden haben. Es ist tatsächlich der Kampf zwischen Kopf und Herz, den Sie offensichtlich gewinnen, wenn Sie „die Pferde laufen lassen“, die Gedanken nicht beachten und statt dessen den Ablauf Ihrer Bilder beobachten. Ich glaube nicht, dass Sie mehr brauchen.
Ob derart die Extrasystolen ganz verschwinden werden, weiss ich nicht. Erfahrungsgemäss dauert das Monate bis Jahre. Aber sie können diese auch als Signal verwenden, das Ihnen zeigen will, dass Sie nun in Ihre Visualisierung einsteigen sollten. Dann transformieren sie sich vielleicht in etwas Positives.
Sie müssen mir übrigens nicht imponieren. Was mir bei Menschen heute imponiert, ist nicht ihre bewusste, willentliche Stärke, das was sie „leisten“, sondern ihre Ausdauer, die sie befähigt, an dieser inneren Schau der Bilder mit ihren spontanen Neuschöpfungen dran zu bleiben. Das nenne ich die Zwiesprache mit dem schöpferischen Aspekt der inneren Göttin. Eben diese Fähigkeit zeichnet die moderne Mystikerin aus.

9. Das Krankheitssymptom als „innerer Verbündeter“:

Schliesslich erhielt ich die (vermeintlich) letzte e-mail:

Ich habe mich über Ihre letzten Worte zutiefst gefreut. Ich fühlte mich angenommen und unterstützt. Ich habe jetzt durch unsere kurze Zusammenarbeit eine neue Sicht der Dinge bekommen. Mir war nicht bewusst, dass ich die Extrasystolen wie einen Feind bekämpfte, obwohl ich mich doch darin übe, mich anzunehmen wie ich bin. Dank Ihrer letzten Mail habe ich in mir jetzt die Bereitschaft entdeckt, mit meinen Extrasystolen zu gehen, anstatt dagegen anzukämpfen. Ich werde sie wie einen Ratgeber nutzen, der mir „auf die Sprünge hilft“ , anstatt sie als Plagegeist anzusehen, den man unbedingt so schnell wie möglich loswerden möchte.

Allein hätte ich diese Einstellung nicht geschafft und es ist deswegen auch kein Zufall, dass ich auf Ihrer Website landete. Jedenfalls ist wieder Bewegung in diese Angelegenheit gekommen und wohin sie sich entwickelt – man (Frau) wird sehen! Ich werde alles tun, was ich für meine geistige, seelische und körperliche Gesundheit tun kann …

Mein momentaner Zustand: Stille ruht die See! Ein paar angenehme Kräuselbewegung an der Oberfläche und Frieden in der Tiefe! Die Lichtspirale ist für mich jetzt eine Inspiration, mit der ich meine Schwingungen heben und mich wieder beflügeln kann, wenn meinalter ego mir mal wieder ein Bein gestellt hat. Wir sind nun mal multidimensionelle, ambivalente Wesen und müssen lernen damit zu leben. Ich danke Ihnen!

Schliesslich kam noch die letzte e-mail mit folgendem Inhalt:

Ganz schnell möchte ich Ihnen noch eine „unerwartete“ Vision mitteilen, die heute nachmittag spontan auftauchte. Sie scheint meinen Entschluß zu bestätigen, die Extrasystolen als etwas Hilfreiches anzunehmen. Die Extrasystolen wurden in meinem Bauch zu einem Leuchtturm auf einer Insel. Ich finde das Bild in diesem Kontext wirklich zutreffend. Die große Göttin scheint mir gewogen zu sein, dass Sie mir diese Bestätigung zukommen läßt.

 

10. Die Überwindung des Logos:

Wir wissen eigentlich (fast) alle – und auch diese Frau mit den psychosomatischen Extrasystolen war eigentlich darüber bewusst – dass wir die Krankheit nicht bekämpfen sondern annehmen sollten. Doch das alles geschieht eben im Kopf, mit Hilfe des Logos. Die eigentliche Wandlung geschieht jedoch immer erst aufgrund eines intensiven Gefühlserlebnisses. Dieses wird seinerseits erst möglich mit Hilfe einer Transformationsmethode wie ich sie beispielsweise mit meiner Symptom-Symbol-Transformation beschrieben habe. Diese setzt jedoch voraus, dass das Ich sich vom Logos löst und bereit ist, sich in das von mir so genannte Eros-Bewusstsein fallen zu lassen.

Im Gegensatz zum kausalen Denken, das die Wahrheit von Ideen mit Hilfe eben dieser Kausalität oder Pseudo-Kausalität erzwingen kann, ergibt sich in oder als Folge der autonom stattfindenden Transformation das Gefühlserlebnis spontan, das heisst, ohne Einfluss des bewussten Willens (der seinerseits eine Begleiterscheinung des kausalen Weltbildes ist).

Diese Wandlung geschieht eben dann, wenn wir die destruktiven Gedanken loslassen oder wie in unserem Fall einfach nicht beachten. Dann steigen wir aus unserer Identifikation mit dem Logos-Bewusstsein aus und öffnen derart die Pforten für das „ganz Andere“, für die gefühlsmässige Bewegtheit, die wir nicht kontrollieren können. Daher auch die Einsicht der Frau: „Ich ‚weiss‘, dass ich ein Teil dieses Lichtflusses bin und das löst keinen Stolz, sondern eine große Demut aus.“ So hat sie ihren Platz im Universum wieder gefunden, als kleines, aber unendlich wichtiges Teil der inneren Göttin. Eben darin besteht eine zentrale Idee der von mir propagierten neuen, konfessions- und religionsunabhängigen Mystik oder Spiritualität.

Kommentare sind geschlossen.