Healing und Quantenphysik

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Ich glaube nicht an die Zukunfts-möglichkeit der Mystik in der alten Form, [wohl] aber glaube ich, dass die Natur-wissenschaften [aus] sich selbst heraus einen Gegenpol in ihren Vertretern hervor-bringen werden, der an die alten mystischen Elemente anknüpft.
[Wolfgang Pauli im Brief vom 11. Okt. 1957 an seine Schwester Hertha Pauli-Ashton]

In der spirituellen Szene wird heute sehr viel von Quantenmedizin, Quantenheilen, usw. gesprochen. Dabei werden „morphogenetische Felder“, „Quantenfelder“ usw. erwähnt, und das Eintauchen in sie soll heilend wirken.

Ein ehrlicher Heiler weiss, dass er während des healing mit einer Welt verbunden ist, die weit mehr ist, als die uns geläufige Welt der fünf Sinne, auf die sich auch die konventionelle Medizin beschränkt. Eigentlich genügt es ihm zu fühlen, dass er mit dieser anderen Welt verbunden ist, und er braucht dafür keine pseudo-physikalische Erklärungen. Er ist daher skeptisch, wenn obige Begriffe als Analogien verwendet werden, ohne dass man weiss, wie das Ganze wirklich funktioniert.

Ich bin ein Heiler (healer), der sich auch als Wissenschaftler versteht. Daher betrachte ich von einem erkenntnistheoretischen Standpunkt aus gesehen die Definition derartiger schwammiger Begriffe als reine Metaphysik. Niemand kennt die energetischen Gesetze nach denen solche „Felder“ die Energie übertragen sollen. Da wird dann von „höheren Frequenzen“, „höheren Schwingungen“, „Matrixfeldern“, usw. gesprochen, deren Energetik jedoch nicht messbar ist. So werden also physikalische Analogien in die theoretische Begründung des healing übernommen, aber der wirkliche Ablauf solcher Prozesse bleibt unerkannt.

Als Wissenschaftler bin ich zum Schluss gekommen, dass die Übernahme derartiger pseudo-physikalischer Begriffe zur Erklärung des Prozesses des healing unzulässig ist. Es ist besser man gibt sich zu, dass eine solche Argumentation schlicht und einfach eine neue Form der Metaphysik darstellt. Der Gott der Religionen wird durch die Göttin „Feld“ ersetzt; wer sie wirklich ist, weiss niemand. Ein neues metaphysisches Bekenntnis löst ein altes ab!

Da mir als Empiriker, als Mensch, der sich auf die Erfahrung bezieht,  metaphysische Glaubensbekenntnisse zuwider sind, musste ich mich für eine andere Begründung meiner Tätigkeit als healer umsehen, eine wissenschaftliche Begründung, die diesen Namen auch wirklich verdient. Im Jahr 2007 habe ich sie nach langer Suche gefunden. Sie ist in meinem im Jahr 2012 erscheinenden Buch Return of the World Soul — Wolfgang Pauli, C.G. Jung and the Challenge of Psychophysical Reality, Part II beschrieben. In Part I von Return of the World Soul, das im September 2011 erschienen ist, beschreibe ich die (vergebliche) Suche des Tiefenpsychologen C.G. Jung in Zusammenarbeit mit dem Physiker und Nobelpreisträger Wolfgang Pauli nach einer solchen Theorie. Die Beschäftigung mit ihrer Suche führte mich schliesslich zur Formulierung von fünf Fragen am Ende des ersten Teils. Deren Beantwortung und die Formulierung einer Theorie der energetischen Prozesse dieser „Welt hinter der Welt“ (unus mundus, psychophysische Realität) bilden den zweiten Teil des Buches. Ich will diese Energetik hier kurz erklären.

In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts entdeckten die Physiker zu ihrem grössten Erstaunen, ja Entsetzen, dass der natürliche radioaktive Zerfall akausal, das heisst, ursachelos und zufällig ist. Würde man beispielsweise 100 radioaktive Atome beobachten, lässt sich nicht sagen, welches Atom zu welchem Zeitpunkt zerfallen wird. Ort und Zeit des radioaktiven Zerfalls sind also unendlich unbestimmt. Daher lässt sich auch kein mathematisches Gesetz – analog etwa zu den Keplerschen Planetengesetzen – finden, das den Zerfall eines individuellen radioaktiven Atoms beschreibt. Dieser ist völlig zufällig, das heisst akausal oder eben ursachelos. Die Physik versuchte dieses Manko zu umgehen, indem sie sich damit behalf die singuläre Akausalität des radioaktiven Zerfalls des Einzelatoms in eine statistische Kausalität der Masse der Atome umzudefinieren. So wurde es ihr möglich die Halbwertszeit, die Zeit in der die Hälfte der radioaktiven Atome zerfallen ist, zu bestimmen. Das heisst aber, dass die Quantenphysik nicht mehr das Verhalten des Individuums – wie etwa die Keplerschen und Newtonschen Gleichungen der klassischen Physik – beschreiben kann, sondern nur noch jenes der Masse.

Ebenso mussten die Physiker einsehen, dass der sogenannte Messakt akausal ist. Das heisst, dass dann, wenn ein Experimentator im subnuklearen Bereich Messungen der Veränderung des Energieniveaus durchführt – physikalische Messung besteht immer darin – bei aufeinander folgenden Messungen verschiedene, völlig zufällig verteilte Werte beobachtet werden. Eine Analogie im makrophysikalischen Bereich würde etwa darin bestehen, dass der festgestellte Ort eines Planeten zu einem bestimmten Zeitpunkt völlig zufällig wird. Dies bedeutet, dass der Messakt der Quantenphysik an sich akausal wird, das heisst ein zufälliges Resultat ergibt.

Es gelang den Physikern in den Zwanzigerjahren schliesslich diese Prozesse mathematisch zu beschreiben. Es war Erwin Schrödinger (1887 – 1961), der es schaffte – eben dann, als er mit seiner Frau und seiner Geliebten im Engadin in den Ferien weilte [1] – mit der so genannten Wellenfunktion dieses Geschehen in eine mathematische Form zu giessen. Die Wellenfunktion beschreibt eine potentielle Welt und besteht mathematisch gesehen aus einer so genannten Linearkombination. Jedes Glied dieser Gleichung beschreibt ein bei der Beobachtung entstehendes Teilchen. Wie gesagt, existieren diese Teilchen nur potentiell, in einer „Welt hinter der Welt“. Beim Beobachtungs- oder Messakt wird eines dieser potentiellen Teilchen real, die anderen „verschwinden“, wie der mathematische Physiker diesen Tatbestand ausdrückt. Diesen Prozess nennt man den Zusammenbruch der Wellenfunktion oder den Quantensprung. Da man jedoch nicht weiss, welches der potentiellen Teilchen bei einer Messung real, das heisst in unserer Welt existent wird, werden der Messakt und der Quantensprung akausal, das heisst ursachelos oder zufällig. Eine „Wirkung“ ohne „Ursache“ bedeutet aber einen Schöpfungs- oder Inkarnationsakt: Aus dem „Nichts“ entsteht etwas Konkretes, Messbares in unserer Welt. Daher hatte der Physiker Pauli dem Tiefenpsychologen C.G. Jung geschrieben, dass jeder Messakt der Physik „ein Schöpfungsakt“ [2] sei.

In meinem Buch Return of the World Soul, Part I beschreibe ich unter anderem die geniale Idee Wolfgang Paulis, diese Transformation des der Möglichkeit nach Seienden, des potential being, in das realisierte Sein, das actual being, die hinter dem Quantensprung steht, auf die Tiefenpsychologie C.G. Jungs anzuwenden. So wird für Pauli – im Gegensatz zu Jung, der dem Unbewussten die Qualität des Seienden (being) zuweist und so zum Metaphysiker wird – der Archetypus, ebenso wie die Wellenfunktion, zu potential being. Gemäss dieser Hypothese wird also der an sich unbeobachtbare Archetypus im Moment der Beobachtung, beispielsweise in Träumen, Visionen und Synchronizitäten, zu einer Realität in unserer Welt. Auf diese Weise wendet der Nobelpreisträger die Feststellung Werner Heisenbergs, dass Realität erst im Moment der Beobachtung entsteht, auf die Tiefenpsychologie an. Der Vorteil einer solchen Betrachtung besteht darin, dass der Archetypus und ganz allgemein die Inhalte des Unbewussten aus dem Zustand des unbeobachtbaren potentiellen Seins, aus dem potential being, in etwas empirisch Beobachtbares, das actual being, übergehen. „Gott“ oder die „Göttin“, das oben erwähnte „Feld“ der „spirituellen Quantentheorien“, bleiben so – im Gegensatz zu der Anschauung der Theologie – weiterhin unerklärbar, aber seine/ihre Auswirkungen werden beobachtbar, womit deren Existenz indirekt bewiesen ist[3].

Diese erkenntnistheoretische Einsicht Wolfgang Paulis grenzt seine Theorie von den heutigen „spirituellen Quantentheorien“ ab. Es wird nicht mehr der Anspruch erhoben, „Gott“ oder das „Feld“ mithilfe schwammiger metaphysischer Begriffe erklären zu wollen, es werden keine „Gesetze“ für diese letztlich transzendente „Welt hinter der Welt“ mehr gesucht, sondern man beschränkt sich im Sinne der quantenphysikalischen Erkenntnistheorie auf das Einzelphänomen, das im Moment der Beobachtung spontan aus dem der Möglichkeit nach Seienden, aus dem potential being, entsteht.

Es ist diese neuartige und geniale Idee Wolfgang Paulis,  seine Erklärung der Wellenfunktion und von deren Zusammenbruch, des Quantensprungs, im Moment der Beobachtung im Sinne der Aristotelischen Transformation von potential being in actual being, die ich auf die Beobachtung der psychophysischen Realität (W. Pauli) oder des unus mundus (der Einen Welt von Dorneus/Jung; siehe dazu Spiritualität, Hauchkörper und Nachtodleben) übertrage. Man kann somit postulieren, dass eine ähnliche „Messmethode“ wie jene der Quantenphysik auch im eigenen Inneren angewandt werden kann: Man versucht innere Quantensprünge zu beobachten, in denen sich aus der Potentialität der psychophysischen Realität etwas Neues in unserer physischen und/oder psychischen Welt inkarniert – ein eigentlicher Schöpfungsakt analog zu jenem im Moment der quantenphysikalischen Messung.

Der entscheidende Unterschied zum Messakt der Quantenphysik besteht darin, dass die Zeit der Beobachtung nicht willentlich festgelegt werden kann; sie wird also zeitlich zufällig. Die Erfahrung zeigt, dass im Zustand des „abgeblendeten Bewusstseins“ (altered consciousness), den ich auch als das Eros-Bewusstsein (siehe dazu Kurze Beschreibung der neuen Begriffe) beschreibe, aus dem Bauchhirn heraus spontane (das heisst akausale) Bilder und/oder vegetative Empfindungen auftauchen (s. dazu die Beispiele von SST). Da der Terminus „Bild“ jenen des Raumes voraussetzt – die Schau von Bildern ist nur auf einem räumlichen Hintergrund möglich – wird im Moment der Beobachtung nicht nur die Zeit sondern auch der Raum zufällig.

Physikalisch gesehen bedeuten zufällige Zeit und zufälliger Raum Raumzeitlosigkeit. Dies bedeutet, dass das Eros-Bewusstsein im Moment der spontanen Beobachtung – im „ougenblick“ der germanischen Mystik (Eckehart, Boehme) – eine Vereinigung mit der raumzeitlosen Welt des unus mundus oder der psychophysischen Realität erfährt. Meines Erachtens ist es eben dieses Erlebnis, das dem Inhalt der im Motto erwähnten modernen Mystik Paulis entspricht, jenes  „Gegenpols“, der aus der Naturwissenschaft selbst herauswachsen soll.

Die Schau des Bildes und/oder die Erfahrung der vegetativen Körperempfindung (sensation) bedeuten die Inkarnation von etwas Neuem aus dem raumzeitlosen unus mundus heraus in unsere raumzeitlich bedingte Welt. Diese Inkarnation führt im Fall der Synchronizität zu einer Neuschöpfung im geistig-psychischen Bereich, im Fall der Körperzentrierten Imagination oder Symptom-Symbol-Transformation ergibt sich eine Neuschöpfung im physikalisch/physischen Bereich. Erstere führt zu neuer Erkenntnis, letztere zum Aufbau höherer Ordnung in der Physis und in der so genannten unbelebten Materie. Dieser Prozess steht hinter der Besserung und Heilung von Krankheit mithilfe der SST.

Das Eros-Bewusstsein beobachtet also raumzeitlich zufällig und daher akausal. Es verhält sich wie die oben beschriebene radioaktive Substanz. Daher nenne ich diesen veränderten Bewusstseinszustand in einer symbolischen Sprache auch das radioaktive Bewusstsein. Seine Anerkennung bedeutet eine Rücknahme der Projektion[4] des radioaktiven Zerfalls in die äussere Materie und eine Transformation des kausalen Bewusstsein (Logos-Bewusstsein) in das akausale, das Eros-Bewusstsein. So kann es die „Welt hinter der Welt“ und die Inkarnationen aus ihr in unsere raumzeitlich bedingte Welt beobachten.

Das radioaktive Bewusstsein war schon in den „physikalisch-symbolischen Träumen“ Wolfgang Paulis (eine Ausdrucksweise Paulis) in den frühen Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts konstelliert, doch konnte er, so wie auch C.G. Jung, dieses noch nicht erkennen. Er hatte aber noch geahnt, dass diese „Welt hinter der Welt“ einer noch zu entdeckenden entspricht, die nach Gesetzen abläuft, die er „den dritten Typus von Naturgesetzen“ (neben dem kausalen der klassischen Physik und dem akausalen beziehungsweise statistisch-kausalen der Quantenphysik) nannte.

Gemäss meiner Hypothese finden wir diesen „dritten Typus“ von Naturgesetzen, wenn wir in einem veränderten Bewusstseinszustand, den ich das Eros-Bewusstsein nenne, diese spontanen Inkarnationen beobachten lernen. In ihnen wandelt sich das potential being (das der Möglichkeit nach Seiende) in actual being in unserer raumzeitlich bedingten Welt. In Return of the World Soul, Part I nenne ich diesen Vorgang die creation by observation, die Schöpfung durch (reine) Beobachtung, als Ergänzung zur creation by cognition, zur Schöpfung durch Erkenntnis, wie sie sich als Resultat der naturwissenschaftlichen Forschung ergibt.

Paulis erkenntnistheoretische Schlussfolgerungen und Jungs Entdeckung der Welt der Archetypen und vor allem auch die Forschungen der beiden in Bezug auf den unus mundus haben wesentliche Vorarbeit für meine Definition der psychophysischen Realität und der in ihr sich abspielenden (akausalen) energetischen Prozesse geleistet. Daher betrachte ich die beiden genialen Forscher als Wegbereiter der von mir inaugurierten Theorie und Praxis des healing (Siehe dazu den Artikel C.G. Jung und Wolfgang Pauli als Wegbereiter paranormalen Heilens ).

Schon Paracelsus ahnte solche akausalen Prozesse, die zur Heilung von Krankheit führen sollten. Zu deren Erklärung formulierte er die so genannte Spermien-Theorie der Materie (vgl. dazu Paracelsus). Da er jedoch akausale noch nicht von kausalen Prozessen unterscheiden konnte, war ihm eine theoretische Beschreibung seiner Heilmethode versagt. Ich betrachte die von mir entdeckte Symptom-Symbol-Transformation als eine Neuinterpretation der Heilmethode des Paracelsus auf einer höheren Stufe, das heisst unter Berücksichtigung der modernen quantenphysikalischen Erkenntnisse und der tiefenpsychologischen Erfahrungen. Meines Erachtens entspricht diese Methode des healing einer zukunftsträchtigen „quantenphysikalischen Medizin“. (Vgl. auch Synchronizität mit der „quantenphysikalischen Medizin“ und die Synchronizität mit den „Wurmlöchern“ in „Traumdeutung„.)

Ein wesentliches Merkmal dieser zukünftigen Medizin besteht darin, dass sie sich nicht so sehr an der kausalen Ätiologie orientiert – die Diagnose wird als weit weniger wichtig angesehen werden, als heute – und so auch keine allgemein gültigen Heilmethoden mehr entwickelt. Sie konzentriert sich im Gegensatz zur Quantenphysik mit ihrer statistischen Kausalität auf die singulären akausalen Prozesse im Individuum selbst, und nicht auf die Masse der Symptome, die in Syndromen klassifiziert und dann nach einer spezifischen, vom Arzt festgelegten Methode geheilt werden sollen. Der Prozess der Heilung wird also ganz in das kranke Individuum verlegt. Im Prozess der Symptom-Symbol-Transformation findet dieses das zutiefst individuelle, ganz spezifische Bild oder die spezifische vegetative Empfindung (sensation), die die heilende Kompensation zum Symptom darstellen. Schon ihre Schau kann in einer finalen (zukunftsgerichteten) Art und Weise zu Heilung und Besserung führen, ohne dass eine Kausalität gesucht werden muss. So findet Heilung aus dem eigenen Inneren heraus statt, weshalb ich meine Methode unter den Wahlspruch „Finde die Heilerin in dir selbst!“ gestellt habe.

[1] Zu den ausserehelichen Affären der Zürcher Physiker der Zwanzigerjahre siehe A. I. Miller, Deciphering the Cosmic Number, 2009, p. 115
[2] Wolfgang Pauli und C.G. Jung – Ein Briefwechsel 1932 – 1958, ed. C.A. Meier, 1992
[3] Es scheint mir der Erwähnung wert, dass diese Hypothese äusserst tiefgreifende religionspsychologische Implikationen nach sich zieht. „Gott“ bleibt zwar unerkannt, aber in seinen Äusserungen, beispielsweise in Synchronizitäten, wird seine Existenz indirekt bewiesen.
[4] Den Begriff „Projektion“ verstehe ich hier im Sinne der projektiven Geometrie: Darin wird die Realität um eine Dimensionen verkürzt, um sie in der zweidimensionalen Realität des Papiers wiedergeben zu können. Diese Auffassung impliziert, dass eine Welt existiert, der unus mundus oder die psychophysische Realität, die umfassender ist als die von der Physik beschriebene. Wie ich in Return of the World Soul, Part II gezeigt habe, gehört der radioaktive Zerfall in diese umfassendere Welt.

 

 

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