Traum vom Holzring mit dem Diamanten

 © copyright 1998 by Remo F. Roth, Zürich, Switzerland

Den folgenden Traum brachte mir eine Frau in die Praxis, welche als Sozialarbeiterin arbeitet. Sie ist in ihrer Arbeit sehr unglücklich, weil Sozialarbeit in der Schweiz fast ausschliesslich darin besteht, die äusseren Aspekte der Krisen von Klientinnen und Klienten mit Hilfe konkreter Massnahmen zu verändern zu versuchen.

Die meisten Schweizerinnen und Schweizer sind in der Sprache C.G. Jungs Empfindungstypen. Empfindung ist hier nicht im Sinne von „Empfindsamkeit“, d.h. Gefühl gemeint, sondern in jenem des engl. Wortes sensation (dt. „Sinnesempfindung“). Dieser Typus lebt in einer Welt, in welcher nur die mit den fünf Sinnen konkret fassbare Realität existiert. Ein sechster Sinn und damit das Unbewusste gibt es für ihn nicht.

Die Sozialarbeit in der Schweiz ist denn auch auf die Weltanschauung des Empfindungstypus fixiert. Sie ist in eine Machermentalität regrediert, in welcher die Sozialarbeiterin oder der Sozialarbeiter den Klienten zeigt, wie sie oder er seine konkrete Welt zu verändern hat, um wieder auf den Erfolgspfad zu gelangen.

Das Wesentliche an dieser Arbeit ist die Tatsache, dass Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter nur aus dem Bewusstsein heraus helfen. Dem Trend unserer Zeit gehorchend sind sie zu kleinen Managern geworden, welche sich Ziele setzen und die Mittel dazu in den in der Ausbildung erlernten Techniken zu finden glauben. Derart werden Klientinnen und Klienten dann gemäss dem Willen des Beraters auf den vermeintlich richtigen Weg geschickt.

In eben dieser Situation war unsere Träumerin. Sie hätte in einer Macherart das Leben ihrer Klientinnen neu organisieren und ihnen all die administrativen Erschwernisse unseres Sozialstaates abnehmen oder erleichtern sollen. Etwas in ihr rebellierte schon lange gegen diese Rolle, doch war sie nicht bewusst darüber, wie gefährlich diese war. Erst als sie durch einen Unfall in Todesgefahr geriet, fasste sie den Entschluss, etwas zu ändern. Sie entschloss sich, mich zu konsultieren, um ihre Träume deuten zu lassen. Den entscheidenden Impuls für diesen Entschluss gab ihr der folgende Traum.

 

Der Traum vom Holzring mit dem Diamanten
in der paradiesischen Badeanstalt:

„Ich gehe ins Strandbad. Da ich keinen Badeanzug bei mir habe, entlehne ich mir ein olivefarbenes Seiden-Bikini von meiner Freundin. Ich weiss im Traum, dass ich sehr arm bin und mir deshalb kaum ein Badetuch kaufen kann. Ich trage am Finger einen runden Holzring mit der typischen Holzmaserung. Ich finde, dass die olive Farbe meines Bikinis, meine braune Haut und die ebenso braune Farbe sehr gut zusammenpassen.

Ich komme an die Kasse. Dort sagt mir jemand, dass ich den Ring sofort abgeben müsse. Ich gebe ihn der Kassierin, bekomme ihn jedoch sofort wieder zurück. In der Zwischenzeit wurde zu meinem grössten Erstaunen ein grosser Diamant darauf montiert. Ich schaue ihn an und bin von dieser Kombination von Holz und Diamant fasziniert.

Ich betrete dann schliesslich dieses Strandbad. Es ist das Paradies schlechthin! Es ist alles wunderschön grün, die Palmen, das Moos, und das Wasser ist kristallklar. Zudem hat es eben geregnet, so dass alles taufrisch aussieht.

Ich suche einen Platz, wo mein Badetuch nicht gleich ganz nass wird. Ich finde diesen unter einer Palme. Ich schaue mich um und sehe, dass es noch viele weitere solche Plätze gibt.“

Um den Traum deuten zu können, müssen wir vorerst Assoziationen aufnehmen. Wir fragen also die Träumerin, was ihr zu den einzelnen Personen und Situationen so einfällt. Zu gewissen Motiven muss zudem eine kollektive Assoziation, d.h. eine sogenannte Amplifikation beigebracht werden. Wenn beispielsweise jemand von einem Tiger träumt, muss man die Verhaltensforschung befragen, was die Eigenarten des Tigers sind. Eine wesentliche Eigenart dieses Tieres besteht darin, dass es ein riesiges Territorium für sich alleine braucht. Wenn der Tiger im Traum daher feindlich ist, bedeutet dies, dass die Träumerin oder der Träumer viel zu kollektiv lebt, seinen individuellen Weg nicht geht und seinen inneren Eigenschaften zuwenig Platz verschafft.

Wir wollen den Traum mit Hilfe einer tabellarischen Darstellung deuten. In der ersten Spalte befindet sich der Traumtext, in der zweiten Assoziationen und Amplifikationen. Diese und die oben beschriebene Lebenssituation der Träumerin werden dann benützt, um in der dritten Spalte die deutenden Hinweise anzufügen.

Traumtext: 

Assoziationen und Amplifikationen: 

Deutende Hinweise: 

Ich gehe ins Strandbad
Assoziation: Da bin ich sehr gerne. Das Element Wasser fasziniert mich.Doch ereignete sich eben in dieser Badeanstalt der Unfall, der mich zu ihnen führte.Amplifikation: „Baden“ bedeutete in der Antike einen „Reinigungsritus“. Daher ist die Taufe auch meist mit einem Bad verbunden.
Der Beginn des Traumes zeigt meist das konstellierte, jedoch unbewusste Problem. Offensichtlich muss die Träumerin an einem bestimmten, im Lauf des Traumes noch genauer spezifizierten Ort einen Reinigungsritus vollziehen. Dies bedeutet, dass ihre bewusste Einstellung „verschmutzt“ ist und sie diese daher „reinigen“ d.h. erneuern und ändern muss. Da sie diese Reinigung des Bewusstseins zu lange hinauszögerte, ereignete sich in eben dieser Badeanstalt der lebensgefährliche Unfall. Die Lösung des im Traum beschriebenen Problems ist für die Träumerin daher absolut lebenswichtig. Wie sich solche inneren Konflikte bei deren Nichtbeachtung bzw. Verdrängung im Aussen durchsetzen können, vgl. Synchronizität als Hoffnung in unserer apokalyptische Zeit
Da ich keinen Badeanzug bei mir habe, entlehne ich mir ein olivfarbenes Seiden-Bikini von meiner Freundin
Assoz. zur Freundin: Sie ist Psychotherapeutin
Amplifikation zur Farbe Olive: Der Olivenzweig ist ein bekanntes Symbol für Frieden.
Amplifikation zu Bikini-Badekleid: In diesem ist man fast nackt. Nacktheit deutet im positiven Kontext auf „so sein, wie man ist“, ohne falsche „Rüstung“.
Offensichtlich muss im Bereich des Psychotherapeutischen, d.h. des Helfens und Heilens eine Reinigung vollzogen werden. Zu dieser Reinigung gehört ganz wesentlich, dass die Träumerin keine aufgezwungene Rolle mehr spielt, sondern sich selber ist.
Die olivene Farbe deutet darauf hin, dass sie dann, wenn sie sich dieser Reinigungsprozedur unterzieht, den Frieden finden wird.
Ich weiss im Traum, dass ich sehr arm bin und mir deshalb kaum ein Badetuch kaufen kann.
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„Arm“, d.h. ohne das nötige Geld, heisst symbolisch gesehen, dass man nur noch sehr wenig Lebensenergie zur Verfügung hat. Dies dürfte sich in unserem Fall auf die Energie bezüglich der Tätigkeit als Sozialarbeiterin beziehen.
Ich trage am Finger einen runden Holzring mit der typischen Holzmaserung.
Amplifikation zum Ring:
Der Kreis enthält die irrationale Zahl pi und symbolisiert daher den Übergang in das Irrationale. Der Ring ist ein Symbol einer „ewigen Verbindung“ (Bsp.: Heiratsring) Amplifikation zum Holz: Holz ist das Endprodukt der Vegetation, symbolisch gesehen des Vegetativen. Holz symbolisiert in Träumen daher sehr oft das vegetative Nervensystem.Die „Maserung“, d.h. die Jahrringe des Baumes, symbolisiert das langsame aber stetige Wachstum des Vegetativen.Der Finger gehört zur Hand und symbolisiert derart Handlungsfähigkeit.
Das einzige Vermögen, welches die Träumerin besitzt, scheint dieser Ring zu sein. Er deutet vorerst auf eine Beziehung zum Irrationalen, das heisst zum Unbewussten. Da er aus Holz ist, symbolisiert er auch das vegetative Nervensystem. „Holzring am Finger“ bedeutet somit „Handlungsfähigkeit in Bezug auf das Unbewusste, und zwar über das vegetative Nervensystem“. Eben diese Beziehung geschieht aber in der von mir (RFR) vorgeschlagenen Symptom-Symbol-Transformation zum Zweck des Aufbaus des Hauchkörpers (s. dazu Hauchkörperforschung). Derart wird in der Träumerin in den nächsten Jahren langsam der Hauchkörper (Astralkörper; subtle body) aufgebaut, sofern sie sich bewusst diesem Prozess stellt.
Ich finde, dass die olivene Farbe meines Bikinis, meine braune Haut und die ebenso braune Farbe des Rings sehr gut zusammenpassen.
Amplifikation zur Haut: Die Haut symbolisiert die Grenze zwischen Innen und Aussen (weshalb nebenbei gesagt viele Hautkrankheiten psychologisch gesehen mit einer falschen Einstellung dem „Aussen“ gegenüberzu tun haben).
Die Farben Braun und Grün symbolisieren zusammengenommen die vegetative Natur. Die Träumerin wird daher das „Innen“ über das vegetative Nervensystem mit dem „Aussen“ verbinden müssen. [Dies zeigte sich später darin, dass sie eine Seherin ist, d.h. die Problematik Anderer vor ihrem geistigen Auge sieht.]
Ich komme an die Kasse.
„An die Kasse kommen“ = schweizerdeutscher Ausdruck für „zur Kasse gebeten werden“
Dieser Ausdruck besagt, dass die Träumerin nun ihre gesamte Energie der „Badeanstalt“, d.h. der oben beschriebenen Reinigungsprozedur ihres Bewusstseins widmen muss. Diese Einsicht entspricht zudem der notwendigen Reinigungsprozedur ihres Bewusstseins. Ihren Job als Sozialarbeiterin wird sie daher an den Nagel hängen müssen.
Dort sagt mir jemand, dass ich den Ring sofort abgeben müsse. Ich gebe ihn der Kassierin, bekomme ihn jedoch sofort wieder zurück. In der Zwischenzeit wurde zu meinem grössten Erstaunen ein grosser Diamant darauf montiert.
Amplifikation zum Diamanten:
In der Alchemie des Taoismus exisitert das Motiv des Aufbaus des Diamantkörpers (Vgl. dazu Jung, C.G., Ges. Werke, Bd. 13, § 29, 68, 76). Dieser Hauchkörper, der durch imaginative Tätigkeit in diesem Leben aufgebaut wird, dient dem ewig dauernden Nachtodleben (deshalb das Symbol Diamant, welches durch seine Härte ein „ewiges Leben“ besitzt).
Das Einsetzen des Diamantes bildet eine Bestätigung des oben gesagten: Der Ring symbolisiert den Aufbau des unzerstörbaren Hauchkörpers (Diamantkörpers; subtle body; Astralkörper) aus dem vegetativen Nervensystem. Dieser dient dem Nachtodleben; dessen Aufbau muss aber in diesem Leben schon an die Hand genommen werden. Interessant an diesem Motiv ist auch, dass die Träumerin mit dem Holzring bezahlt, d.h. mit der Energie, die sie dem Aufbau des vegetativen Körper widmet. Erst als Folge dieser Arbeit wird der vegetative Körper zum Diamanten, das heisst er wird zum „Ewigkeitsleib“.
Ich schaue ihn an und bin von dieser Kombination von Holz und Diamant fasziniert.
Die Faszination erklärt sich durch den Sinngehalt dieses Symboles, der in der obigen Deutung herausgearbeitet wurde. Da der Diamantkörper ewig ist, wird er an das Göttliche angenähert, weshalb er auch als deifizierten Leib bezeichnet wird. Daher führt die SST in eine neue Art der (religionsunabhängigen) Mystik hinein.
Ich betrete schliesslich dieses Strandbad. Es ist das Paradies schlechthin! Es ist alles wunderschön grün, die Palmen, das Moos, und das Wasser ist kristallklar. Zudem hat es eben geregnet, so dass alles taufrisch aussieht.
Amplifikation zur Palme: Im Sufismus, dem mystischen Weg des Islam, symbolisiert die Palme das tariqa. Dieses bedeutet den mystischen Pfad, den Lebensweg des Sufi [Shah, I.: Die Sufis, Diederichs Gelbe Reihe, Nr. 27, S. 311; Schimmel, A.: Mystische Dimensionen des Islam, S. 110ff.]. Wesentlich an diesem ist das „Stirb, bevor du stirbst!“, d.h. das Loslassen vom Bisherigen und die Hingebung an das unbekannte Neue in jedem Moment des Lebens.
Amplifikation zum Wasser:
Das Wasser ist das Element des 2. Chakras des Tantrismus, des svadhisthana (vgl. dazu Abb. 1.4 in Behandlung einer Multiplen Sklerose). Die Erfahrung zeigt, dass die Aktivierung dieses Chakras zu Hellsichtigkeit führt. Vgl. dazu auch die Ausführungen am Schluss von Der Traum einer HIV-positiven Frau vom Affen-Christus, der zugleich auch ein UFO ist
Der Einbezug des vegetativen Unbewussten (der psychophysischen Realität) zum Zwecke des Aufbaus des Hauchkörpers entspricht dem Weg, den die Träumerin zu gehen hat. Dabei muss sie sich von viel Hergebrachtem trennen, vor allem auch von der Einstellung des Habens. Wesentlich (und wahrscheinlich schmerzlich) wird die Einsicht sein, dass sie nicht darum herum kommen wird, „von der Hand in den Mund zu leben“. Dieses Leben des sinnvollen Zufalls gehört zusammen mit der Entwicklung der Hellsichtigkeit bei der Aktivierung des svadhisthana-Chakras.
Ich suche einen Platz, wo mein Badetuch nicht gleich ganz nass wird. Ich finde diesen unter einer Palme. Ich schaue mich um und sehe, dass es noch viele weitere solche Plätze gibt.
Der Schluss des Traumes zeigt die Lösung des Problems: Wenn die Träumerin dem Traumsinn folgen kann, die im obigen beschriebene Reinigung ihrer bewussten Einstellung vollziehen und in die Aufgabe des Aufbaus des vegetativen Hauchkörpers hineinwachsen kann, dann hat sie ihren Platz im Leben gefunden. Dann wird sie auch ihren tiefsten Lebenssinn gefunden haben, der ihr von der wissenden Instanz des kollektiven Unbewussten vermittelt worden ist.

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